Das Leben birgt Risiken - alles eine Verhältnisfrage
Gleitschirmfliegen ist bei den Versicherungen nicht als Risikosportarten eingestuft, sondern ganz normal wie Fussballspielen und Skifahren. Im Verhältnis betrachtet ist Motorradfahren zum Beispiel um einiges risikoreicher. Ein Vergleich der Unfallstatistiken ergibt ein 3 bis 4 mal höheres Risiko für den Motorradfahrer. Vorallem aber ist bei 70% der Motorradunfälle eine Fremdeinwirkung wie ein Auto oder Lastwagen (12%) involviert und die Verletzungen sind weit schwerer.
In wenigen Sportarten ist jedoch so viel Eigenverantwortung erforderlich wie beim Gleitschirmfliegen. Gerade weil das Fliegen mit dem Gleitschirm so einfach und praktisch von jedermann zu erlernen ist, sind Besonnenheit und Risikobewusstsein Grundvoraussetzungen für eine sichere Ausübung dieses Sports. Leichtsinn und Selbstüberschätzung können schnell in kritische Situationen führen. Besonders wichtig ist eine sichere Einschätzung des Flugwetters. In ruhigen Verhältnissen ist Gleitschirmfliegen einfacher als Radfahren und die durchschnittliche Geschwindigkeit liegt um die 30 km/h, also so tief, dass auch grobe Fehler meist glimpflich ausgehen. Sobald aber wetterbedingte Turbulenzen auftreten, erhöht sich der Schwierigkeitsgrad. Um einen Flug vom Start bis zur Landung in thermischen Bedingungen, mit Windeinfluss sicher durchführen zu können, bedarf es wie in vielen anderen Sportarten einer fundierten Ausbildung und Training, sowie eine gehörige Portion Respekt vor den Naturgewalten.
Die Fluggeräte selbst sind außerordentlich sicher. Dem Laien erscheint die Konstruktion eines Gleitschirmes mit seinen dünn erscheinenden Leinen und dem leichten Segel filigran und wenig stabil. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Bei den Musterprüfungstests müssen alle Bauteile mindestens der 8-fachen Belastung des Normalfluges standhalten. Momentane Spitzenwerte gehen dabei oft bis 14G. Gegenüber den im Flugbetrieb maximal auftretenden Extrembelastungen besteht eine dreifache Sicherheitsmarge. Das ist mehr als die in der Luftfahrt übliche, doppelte Belastungsreserve. Unfälle durch Materialversagen sind bei korrekt gewarteten Gleitschirmen praktisch unbekannt.
Seit Mitte der Neunziger Jahre hat sich die Entwicklung neuer Gleitschirme sehr stark am wachsenden Sicherheitsbedürfnis der Piloten orientiert. Dies gilt auch für die Gurtzeuge und Rettungsfallschirme. Strenge Prüfvorschriften, die für alle Gleitschirme, Gurtzeuge und Rettungsfallschirme gelten, haben dafür gesorgt, dass Gleitschirmfliegen heute die sicherste Flugsportart ist. Das Flugverhalten eines Standardgleitschirms ist heute extrem sicher, stabil und fehlerverzeihend. Unfälle aufgrund von Störungen oder Extremflugzuständen, die durch Pilotenfehler oder starke Turbulenzen verursacht wurden, sind stark zurückgegangen. Geprüfte Rückenschutzsysteme in den Gurtzeugen sorgen dafür, dass auch härteren Landungen die meist aus respektlosem Verhalten einiger Piloten resultieren, meist glimpflich ausgehen. Moderne Rettungsfallschirme, Pflichtausrüstung bei allen Flügen, sorgen als letzte Sicherheit noch dafür, dass der Pilot im Falle einer extremen Notsituation sicher und im Normalfall verletzungsfrei auf dem Boden landet.
Unser Ausbildungsleiter Michael Kobler sagt: "In über 30 Jahren unfallfreiem fliegen habe ich den Notschirm noch nie ausserhalb der SiKu Simulationen über dem See gebraucht. Das obwohl ich vor allem in der Pionierzeit auch viele Prototypen in teils harten Bedingungen geflogen bin, an die ich mich heute nicht mehr hängen würde. Und das obwohl wir in der Anfangszeit alle Testflüge immer über Boden gemacht haben!"
Wohl deshalb sind Gleitschirme die beliebtesten Luftsportgeräte geworden. Der Aeroclub der Schweiz zählt mit allen privaten Motorfliegern, Segelfliegern, Modellfliegern, Fallschirmspringern, Ballonfahrern und so weiter, weniger Mitglieder, als der Hängegleiterverband SHV.